In einem kürzlich geführten Gespräch mit einem Kunden kam diese absolut lächerliche Aussage zur Sprache, die ich allerdings sehr alarmierend fand.
Was war passiert? Ein Vertriebler einer bekannten HR-Software präsentierte sein Produkt vor den Augen aller interessierten Personen aus dem Unternehmen. Eine Person, die nicht aus dem Personalwesen stammte, stellte die Frage, wie viele Mitarbeitende überhaupt im Personalwesen benötigt werden. Der Vertriebler behauptete dabei, ohne weitere Analyse oder Begründung, dass für die Personalabteilung nur drei Mitarbeitende erforderlich seien.
Abgesehen davon, dass eine solche Frage niemals pauschal beantwortet werden kann, führt die hier gegebene Antwort zu massiven Problemen, wenn sie so ungefiltert übernommen wird. In diesem Fall sogar besonders, da die Personalabteilung derzeit aus etwa 20 Mitarbeitenden besteht.
Eine naive Behauptung mit großer Tragweite
1. Vertrauensverlust bei Mitarbeitenden
Wer wenig über die Komplexität der HR-Arbeit weiß, könnte diese Aussage für bare Münze nehmen. Wenn ein vermeintlicher „Experte“ sagt, dass drei HR-Mitarbeitende ausreichen, entsteht schnell der Eindruck, dass alle weiteren Personalverantwortlichen überflüssig seien oder wesentliche Teile des Tages damit verbringen, Kaffee zu trinken. Daraus entstehen Konflikte, die die Personalarbeit gefährden und mit entsprechendem Fachwissen wieder gelöst werden müssen.
2. Gefährdung der internen Akzeptanz der HR-Abteilung
In vielen Unternehmen kämpfen HR-Abteilungen ohnehin ständig damit, dass ihre Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird. Diese Wahrnehmung kann durch solch eine Aussage weiter verschärft werden. Plötzlich müssen sich Personaler*innen für ihre Existenz rechtfertigen – und das auf Basis einer völlig haltlosen Einschätzung.
3. Missachtung der tatsächlichen Aufgabenvielfalt im HR-Bereich
Personalabteilungen sind längst nicht mehr nur für die Lohnabrechnung oder das Recruiting zuständig. Sie betreuen zahlreiche Aufgaben, darunter Talentmanagement, Personalentwicklung, Compliance, Employer Branding, Arbeitsrecht, Gesundheitsmanagement und die Gestaltung einer positiven Unternehmenskultur. Eine starre Begrenzung auf eine fixe Anzahl von Mitarbeitenden ist schlichtweg realitätsfremd.
4. Nicht erfüllbare Erwartungen
Wer mit solch großen Versprechungen in ein Projekt geht, kann am Ende nur bitter enttäuscht werden. Stellen Sie sich vor, es stellt sich nach der Einführung der neuen Software heraus, dass möglicherweise doch mehr als drei Mitarbeitende in der Personalabteilung notwendig sein sollten. Oftmals scheitern Projekte im Nachhinein daran, dass zu hohe und damit nicht erfüllbare Erwartungen an sie gestellt worden sind. Solche Probleme bekommen Sie nur mit einem professionellen Projektmanagement in den Griff.
5. Realitätsverlust der Führungsebene
Das schlimmste Ergebnis solcher Aussagen ist, dass sie womöglich auch auf der Führungsebene ankommen und dort für blinden Aktionismus sorgen könnten. In den meisten Organisationen wird ständig nach Einsparpotential gesucht. Die Verkleinerung der Personalabteilung wäre da sicher eine willkommene Möglichkeit.
Die Folgen einer Unterbesetzung der Personalabteilung
Wenn Unternehmen aufgrund solcher Aussagen Personalkapazitäten in der HR-Abteilung abbauen oder unterbesetzen, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben:
- Überlastung der vorhandenen HR-Mitarbeitenden: Zu wenige Mitarbeitende bedeuten eine höhere Arbeitsbelastung, was langfristig zu Stress, Fehlern und sogar Burnout führen kann.
- Verlängerte Prozesse und schlechtere Servicequalität: Recruiting-Prozesse dauern länger, Anfragen von Mitarbeitenden bleiben unbeantwortet, und administrative Aufgaben verzögern sich.
- Fehlende strategische Weiterentwicklung: Eine überlastete HR-Abteilung kann sich kaum um strategische Themen kümmern, da sie mit operativen Aufgaben ausgelastet ist. Das Unternehmen verliert dadurch langfristig an Wettbewerbsfähigkeit.
Verantwortung der HR-Software-Anbieter
HR-Software kann Prozesse effizienter gestalten, aber sie ersetzt nicht den menschlichen Faktor. Unternehmen, die HR-Software vertreiben, sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Vertriebler sollten ihre Aussagen sorgfältig formulieren und sich nicht auf pauschale Behauptungen stützen. Stattdessen sollten sie betonen, dass die Software Personalabteilungen unterstützt und entlastet – aber nicht ersetzt.
Fazit
Vereinfachende und ungeprüfte Aussagen wie „Dafür braucht man nur drei Personaler“ ist nicht nur faktisch falsch, sondern auch gefährlich. Sie tragen zur Fehleinschätzung der HR-Arbeit bei und kann langfristig zu einer Schwächung der Personalabteilungen führen – mit negativen Folgen für das gesamte Unternehmen.
HR-Teams leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg. Wer die Relevanz der Personalarbeit anerkennt und realistische Einschätzungen trifft, schafft eine gesunde Unternehmenskultur und langfristige Wettbewerbsvorteile.

Christian Günther
Geschäftsführer - HR-Organisationsberater - HR-Projektmanager