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Wertschätzende Führungskultur
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Ein Grundgerüst wertschätzender Führungskultur

Hinweis: Dieser Artikel wirde erstmals am 22.06.2022 veröffentlicht. Inzwischen wurde der Inhalt überarbeitet und eine neues Veröffentlichungsdatum vergeben.

„Verpflegung bei Meetings und Workshops gibt es nur für externe Gäste! Die Mitarbeitenden können sich ja selbst etwas mitbringen.“

Haben Sie diesen oder ähnliche Sätze schon einmal gehört? Damit stehen Sie nicht allein da.

Schön ist auch immer wieder ein patzig dahingerotztes:

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“

Eine noch geringere Wertschätzung gegenüber den eigenen Mitarbeitenden auszudrücken ist schon fast nicht möglich. Oder halt, doch. Gerade in Corona-Homeoffice-Zeiten ist ja diese Form der Führungskultur viel populärer geworden:

„Wenn ich Sie hier nicht beaufsichtige, weiß ich doch gar nicht, ob Sie arbeiten!“

Toxische Führungskultur

Diese Aussagen haben etwas gemeinsam. Sie alle sprechen für eine autoritäre, vorschriftsverliebte und damit toxische Führungskultur. Führungskräfte sehen sich darin als oberste Kontrolleure, die darauf aufzupassen haben, dass alle Regeln eingehalten werden. Mitarbeitende werden von ihnen teilweise voller Misstrauen als notorische Nichtskönner, Arbeitsverweigerer und subversiv-konspirative Elemente gesehen. Die Angst, dass am eigenen Stuhl gesägt wird, ist groß. Jeder könnte der Feind sein. Dieser Herr Meier aus der Buchhaltung ist immer so korrekt. Der plant doch was.

Und ganz falsch liegt eine Führungskraft unter solchen Bedingungen mit ihrer Einschätzung nicht. Man sollte an ihrem Stuhl sägen, mindestens aber eine dieser Holzperlen-Sitzauflagen installieren, damit der Stuhl nicht allzu bequem bleibt. Hohe Ausfallzeiten, Dienst nach Vorschrift und offen ausgetragene Konflikte sprechen für sich (und gegen die Führungskraft). Aber sie sind keineswegs eine Rechtfertigung dafür, Vorgesetzte als vermeintliche Aufpasser und Taktklopfer zu installieren, sondern gerade das Ergebnis genau dieser einschränkenden Unternehmenskultur.

Wenn Mitarbeitende es auf dieser Grundlage nicht schaffen können, sich anders auszudrücken und partnerschaftlich mit Führungskräften zusammenzuarbeiten, dann greifen irgendwann logische Automatismen, ein innerer Rückzug der Mitarbeitenden, der sich eben durch Resignation, Flucht, oder hohes Konfliktpotential ausdrücken kann.

Keine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus

Vorgesetzte, bzw. die durch sie unpassend umgesetzte Kommunikations- und Wertschätzungskultur, sind der häufigste Grund, aus dem Menschen Unternehmen verlassen. Was wird dem entgegengesetzt? Man entwickelt neue Recruitment-Methoden, versucht das abwandernde Know-How über Wissensmanagement zu erhalten, oder verzweifelt daran, die Flucht der Mitarbeitenden doch noch irgendwie zu verhindern. So ein Kicker im offenen Büro ist schließlich auch ein Zeichen von Wertschätzung, oder? Und dann der Betriebsausflug vor zwei Jahren. Es gab sogar Kaffee und Kuchen. Mit Nachschlag, wer wollte. Die gute Schwarzwälder Kirsch.

Es werden also Symptome gelindert, wo Ursachen bekämpft werden müssten. Aber das sind wir ja gewohnt, nehmen wir doch bei Kopfschmerzen auch Aspirin, um keine Schmerzen mehr zu spüren. Die Schmerzen sind aber immer noch da, wenn auch nicht spürbar, und sie kommen ganz bestimmt wieder – anders übrigens als Ihre abgewanderten Mitarbeitenden. Die sind weg. Und das bleiben sie auch. Irgendwann nennt man das dann Fachkräftemangel. Dann ist man wenigstens in guter Gesellschaft. Und für den Fachkräftemangel, also das muss man doch so sagen, ist Ihr Unternehmen ja nun wirklich nicht verantwortlich. Genau. So ist das. Back to the roots. Personalwesen ist ja sowieso immer auch gelebte Mangelwirtschaft.

Grundgerüst wertschätzender Führungskultur

Vielleicht aber auch nicht. Stellen Sie sich vor, sie würden gar nicht die bittere Pille schlucken, sondern das Problem tatsächlich an seiner Ursache bekämpfen, ergründen, woher denn die hohe Fluktuation eigentlich kommt? Das wäre ja… also das wäre ja fast revolutionär.

Schaut man sich aktuelle Studien und Umfragen an, ist die Unternehmens- und Führungskultur der Schlüssel für die allermeisten zwischenmenschlichen Probleme in Unternehmen. Diese Aussage ist erst einmal genauso richtig wie nichtssagend, denn genau genommen ist natürlich alles eine Frage der Kultur: Der Umgang, das Gehalt, die Arbeitsweise, etc. Man muss das Ganze also mit leben füllen, um ein richtungsweisendes Instrument in der Hand zu halten.

Hier finden Sie die vier wichtigsten Elemente einer funktionierenden Führungskultur:

- Wertschätzung

In den allermeisten mir bekannten Studien ist Wertschätzung das Kernelement zufriedener Mitarbeitender. Sicher war das früher einmal anders, als man noch „auf Maloche“ ging, einfach um am Ende der Woche oder des Monats seine Lohntüte mit nach Hause nehmen zu können.

Ja, die Vergütung ist auch heute noch ein Teil der Wertschätzung. Ihre Mitarbeitenden wollen ihre Familien unterhalten können, ihre Wohnung, das Haus, das Auto, und sich keine Sorgen um Geld machen müssen. Leistung muss vernünftig und gerecht bezahlt werden.

Wertschätzung endet aber nicht mit dem Gehalt, sie drückt sich in der gesamten Haltung gegenüber den Mitarbeitenden aus. Wie gehen Sie mit Erfolgen und Fehlern um? Fühlen sich ihre Mitarbeitenden gut in ihrer Tätigkeit unterstützt – auch technisch und organisatorisch? Führen die Vorgesetzten über Druck und Kontrolle? Kommunizieren Sie ausreichend und auf den richtigen Kanälen? Wie sehen die Entwicklungsmöglichkeiten aus? Besteht die Möglichkeit einer Spezialistenkarriere, statt nur über die Linienorganisation aufsteigen zu können? Finden Sie die Talente Ihrer Mitarbeitenden heraus und fördern Sie sie.

- Autonomie

Mischen Sie sich nicht zu viel ein. Damit wäre schon fast alles gesagt.

Aktuelle Studien haben gezeigt, dass Mitarbeitende deutlich produktiver und motivierter Arbeiten, wenn sie autark sind und keiner ständigen Kotrolle durch Führungskräfte unterworfen werden. Und ganz praktisch funktioniert das natürlich auch. Viele Unternehmen haben inzwischen diese Erfahrung machen dürfen. Vorgesetzte treten dort in der Funktion von Leadern auf, die Coachen, statt zu Kontrollieren, und so zum bestmöglichen Erfolg beitragen.

Gehen Sie ruhig davon aus, dass Menschen von Natur aus innerlich motiviert sind. Sie wollen sich verbessern, verändern, Aufgaben bestmöglich erfüllen. Zu viel Kontrolle, zu starre Regeln, Widersprüche und Konflikte verhindern diesen natürlichen Prozess, bis hin zum vollständigen Stillstand. Wo also zu viel Kontrolle vorherrscht, wird Innovation de facto verhindert.

Es ist an Ihnen, diese Verhinderung zu verhindern. Geben Sie Ihren Mitarbeitenden mehr Verantwortung, mehr Freiraum, zeitliche und räumliche Flexibilität, um die Aufgaben zu erledigen. Und ganz wichtig: Bauen Sie endlich die unnötige Bürokratie ab. Sie werden die positive Veränderung deutlich messen können.

- Sinn

Viele Führungskräfte halten den Sinn einer Tätigkeit für ein Luxusgut: nicht zwingend notwendig, und daher überflüssig. Dabei ist der Sinn einer Tätigkeit allenfalls in einer (finanziellen) Notlage unwichtig, wenn es nur noch darauf ankommt, einen ausreichenden Unterhalt zu verdienen. Niemand wird 45 Jahre lang freiwillig eine Tätigkeit ausüben, die keinen Sinn für sie oder ihn verspricht.

Nicht immer ist dieser Sinn direkt erkennbar. Ja, im Rettungsdienst, Katastrophenschutz und auch bei der Tätigkeit im Gesundheitswesen, da ist er offensichtlich. In anderen Bereichen ist die Definition von Sinn aber höchst individuell. Sinn kann beispielsweise in einer hohen Kundenzufriedenheit liegen, in Innovation, Selbstverbesserung oder im eigenen Beitrag am Unternehmenserfolg, um nur einige Beispiele zu nennen.

Sie können den Sinn, den eine Tätigkeit für Mitarbeitende ergibt, zwar nicht unmittelbar beeinflussen. Allerdings kann eine Tätigkeit durch die wertschätzende Begleitung der Führungskraft aufgewertet werden. Genauso können Sie den Sinn zerstören, wenn Sie zu erkennen geben, dass Sie sie für unwichtig halten. Das kann sogar schon eine unbedachte Äußerung auslösen. Ihr Verhalten als Führungskraft steuert im Ergebnis das Verhalten der Mitarbeitenden.

- Sicherheit

Eines der Grundbedürfnisse jedes Menschen. Auf die Arbeitswelt bezogen bedeutet Sicherheit viel mehr als Arbeitsschutz, oder ein krisensicherer Arbeitsplatz. Beides ist unbestritten wichtig, aber Sicherheit in der Arbeitswelt hat natürlich noch weitaus mehr Facetten.

Denken Sie beispielsweise an Kontinuität. Gemeint ist damit, eine logische Stetigkeit in Worten und Taten der Leitungskräfte. Nichts ist schlimmer, als ein unberechenbarer Arbeitgeber, der seine eigene Marschrichtung nicht kennt, keine Strategie verfolgt und somit tagtäglich anders auf gleiche Fragestellungen reagiert.

Stellen Sie wenige einfache Regeln auf, die für alle Mitarbeitenden gelten und an die sich auch die Vorgesetzten zu halten haben. Sie müssen diese Regeln nicht nur kennen, sondern auch ständig leben.

Stehen Sie als Arbeitgeber jeder Zeit zu Ihrem Wort, auch wenn es im Nachhinein einmal weh tun sollte. Seien Sie gerecht und fair. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitenden, damit Ihre Mitarbeitenden Ihnen vertrauen können.

Fazit

Das ist das Grundgerüst, Parameter, die fest gesetzt sein sollten. Alle individuellen Standpunkte Ihres Unternehmens können Sie in dieses Gerüst einfließen lassen. Sehen Sie es als Staffelei. Malen Sie auf dieser Grundlage Ihr Bild eines funktionierenden Miteinanders.

Menschen kommen zu Unternehmen – aber sie verlassen Vorgesetzte.

Denken Sie immer daran, Menschen so zu führen, wie Sie selbst geführt werden wollen. Die Umsetzung einer wertschätzenden Führungskultur ist nicht schwer, der Alltag, falsch interpretierte Mechanismen und starre, teilweise nutzlose Regeln lassen uns das immer wieder vergessen.

Machen Sie es sich und Ihren Mitarbeitenden nicht unnötig schwer.

Lassen Sie los – Ihre Mitarbeitenden sind schon groß.

Bauen Sie Vertrauen auf und Bürokratie ab.

Herzliche Grüße

Christian Günther

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Christian Günther

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