Die Entgeltabrechnung ist eine besonders häufig unterschätzte und im Allgemeinen wenig beachtete Disziplin des Personalwesens. Häufig rückt sie nur dann in den Fokus, wenn einmal etwas nicht korrekt läuft. Wer in diesem Umfeld tätig ist, weiß genau, was ich meine. In diesem Zusammenhang fällt auch gerne der Satz „Das geht doch eigentlich alles auf Knopfdruck!“.
Das ist natürlich nicht der Fall, jedenfalls dann nicht, wenn die Abrechnung über ein stets gleichbleibendes Festgehalt hinaus geht. Auch wenn uns das inzwischen selbst namhafte Newcomer im Bereich der Abrechnungssoftware glaubhaft machen wollen. Dafür ist das Thema nach wie vor zu komplex. Was aber korrekt ist: Eine passende und leistungsfähige Abrechnungssoftware ist ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Entgeltabrechnung und kann diese deutlich vereinfachen. Aber auch darüber hinaus gibt es noch weitere wichtige Themen, die wir uns ansehen sollten:
Begriffsklärung Entgeltabrechnung
Entgeltabrechnung ist der Oberbegriff für die Be- und Abrechnung von Löhnen, Gehältern und Dienstbezügen aller Art und deren sach- und fachgerechte Beurteilung im Rahmen des Steuer-, Sozialversicherungs- und Tarifrechts.
Die Entgeltabrechnung vereint vielfältige Tätigkeiten und die Notwendigkeit von großem fachlichen Wissen in sich.
Digitalisierung der Entgeltabrechnung
Machen wir uns nichts vor: ein wichtiger Punkt, der die Zukunft der Entgeltabrechnung wesentlich mitbestimmen wird, ist die Digitalisierung. Auf diesen Weg haben sich bereits, manchmal auch gezwungenermaßen, viele Organisationen gemacht. Und das ist auch gut so. Leider ist das Ergebnis manchmal auch die pure Ernüchterung; vor allem in notorisch unterbesetzten Abteilungen. Denn Digitalisierung bedeutet nicht automatisch eine Arbeitserleichterung, auch wenn diese gerne versprochen wurde. Ein gutes und realistisches Projektmanagement hat hier einen großen Anteil am Erfolg der Umsetzung.
Belegdigitalisierung
Heute kennen wir diese Probleme natürlich. Trotzdem ist die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten. Begonnen wird das Thema häufig mit der noch relativ einfachen und häufig bereits umgesetzten Belegdigitalisierung. Aber auch hier sind schon viele Fragen von Aufbewahrungsfristen über Workflows bis hin zur Auswahl der passenden Archivsoftware zu beachten. Und vor allem zu lösen! Letzteres muss dann auch gezwungenermaßen passieren. Sonst entsteht, anders als vorgesehen, eher mehr Arbeit (und Unzufriedenheit) als weniger. Und manchmal schlagen dann auch gesetzliche Regelungen zurück. Hochachtungsvolle Grüße an das Nachweisgesetz.
Datenschnittstellen
Es schließen sich Datenschnittstellen zu weiteren Systemen an, denn wir möchten bereits erfasste Daten ja nicht noch einmal erfassen müssen. Ein absolut korrekter Ansatz. Das darf nur nicht darin ausarten, dass wir, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, den Datenaustausch irgendwie hinzubiegen. Die zehnte bidirektionale bedeutet möglicherweise, dass die im Projekt versenkten Ressourcen für die Datenerfassung der nächsten 20 Jahre ausgereicht hätten. Leider wird die beteiligte Software nur noch 5 Jahre gewartet… Schade.
Datenschnittstellen
Self-Services sind auch ein häufiger Ansatz der Digitalisierung, der in einigen Arbeitsbereichen tatsächlich dazu geeignet ist, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und Zeit zu sparen. Das ist ja auch klar. Wenn Informationen auf der einen Seite direkt von den Mitarbeitenden digital an die Personalabteilung geschickt werden können, stehen sie dort auch direkt digital zur Verfügung. Teilweise werden sie sogar unmittelbar in das HR-System überführt. Wenn auf der anderen Seite Entgeltbescheinigungen und Meldenachweise nicht mehr verschickt werden müssen, sondern digital abgerufen werden, spart das ebenfalls Zeit und Geld. Vergessen Sie dabei nur niemals den menschlichen Faktor. Personalabteilungen und Gehaltsabrechnungsstellen sind unmittelbar für die Mitarbeitenden da, sie sollten sie sich nicht vom Hals halten. Hier muss ein gutes Maß zwischen Service und Effizienz gefunden werden. Im Zweifelsfall ist immer der Service vorzuziehen.
In diesem Zuge sind mobile und cloudbasierte Softwarelösungen notwendig, um überhaupt sinnvolle Self-Service-Strukturen bieten zu können. Die App auf dem Handy erleichtert Ihren Mitarbeitenden den Zugriff. Viele Softwarehersteller sind diesen Weg auch bereits gegangen oder dabei, eine entsprechende Lösung zu entwickeln.
Digitale Ergebniskontrolle
Ich schließe das Themenfeld der Digitalisierung mit einem Sachverhalt, der immer wichtiger wird und tatsächlich eine große Hilfe sein kann: Die digitale Ergebniskontrolle, die auch Teil des internen Kontrollsystems (IKS) sein sollte. Wo sehr viele und sehr komplexe Entgeltabrechnungen erstellt werden müssen, passieren Fehler. Sie schleichen sich immer wieder ein. Sei es bei der Fallbeurteilung durch die Sachbearbeitung, durch falsche Angaben der Mitarbeitenden oder durch falsche Daten in der Software. Viele Organisationen prüfen die Abrechnungen nach der Erstellung deshalb sehr akribisch. Eine geeignete Software zur digitalen Ergebniskotrolle kann wesentliche Teile dieser Prüfungen anhand individueller Prüfkriterien übernehmen und somit einen Großteil der manuellen Prüfarbeit einsparen.
Wir werden uns in Zukunft also noch weit mehr auf technische Unterstützung besinnen müssen und diese als nützliche Helfer annehmen. Ersetzen werden uns diese Systeme nicht, aber Aufwand einsparen, das werden sie, wenn sie richtig implementiert worden sind. Gleichzeitig sind immer auch die Arbeitsabläufe der beteiligten Bereiche zu prüfen und anzupassen.
Künstliche Intelligenz in der Entgeltabrechnung
Die Digitalisierung in der Entgeltabrechnung ist ein wichtiger Schritt zu mehr Effizienz, Kostenersparnis und einer geringeren Fehlerquote. Der nächste Schritt, der über die Digitalisierung hinaus geht, ist die Nutzung künstlicher Intelligenz. Beschäftigung wir uns bei der reinen Digitalisierung noch mit der Frage, wie wir eigentlich arbeiten wollen, lautet die korrekte Frage im Rahmen der künstlichen Intelligenz, wer die Arbeit zukünftig ausführen wird. Dabei zeichnen sich bestimmte Themen bereits ab:
Automatisierte Datenerkennung und -erfassung
Viele Anbieter von Abrechnungssoftware arbeiten bereits an Lösungen, die digitale Dokumente wie beispielsweise E-Mails automatisiert scannen und den daraus entstehenden Handlungsbedarf selbständig umsetzen. Muss eine Entscheidung getroffen werden, können diese Systeme entsprechende Hinweise ausgeben, sodass ein manueller Handlungsbedarf nur noch in diesen Fällen notwendig ist. Bei dieser Einsatzform künstlicher Intelligenz bestehen viele Fallstricke; denken Sie nur an vermeintlich unwichtige Nebensätze oder den Tonfall, den die Software möglicherweise unbeachtet lässt. Eine gut umgesetzte automatisierte Datenerkennung wird zukünftig dennoch eine große Hilfe in der Entgeltabrechnung sein.
Automatisierte Beantwortung von Abrechnungsfragen
Zukünftig könnten die Beantwortung von Fragen zur Entgeltabrechnung, sowie Gehaltsprognosen (Testabrechnungen) für Mitarbeitende aufgrund veränderter Gegebenheiten, vollständig durch künstliche Intelligenz übernommen werden. Die Anfragen können durch Mitarbeitende direkt über einen intelligenten und mit der Abrechnung verbundenen Chatbot gestellt werden, der innerhalb kürzester Zeit die Antworten oder sogar angeforderte Dokumente bereitstellt. Auch das ist natürlich nur in dem Rahmen möglich, in dem keine Freigaben oder relevante Unterschriften geleistet werden müssen.
Automatisierte Anlage und Aktualisierung berechnungsrelevanter Daten
Neben personenbezogener Daten der Mitarbeitenden werden für die Abrechnung immer auch weitere berechnungsrelevante Daten benötigt. Je nach Abrechnungssystem werden diese durch den Anbieter oder Anwender gepflegt. Dazu gehören beispielsweise Krankenkassenbeiträge oder tarifliche Entgelte. Die Anlage und Pflege dieser Daten kann zukünftig durch künstliche Intelligenz erfolgen. Vorteilhaft wäre dies sowohl unter einem zeitlichen Aspekt, da eine Umsetzung unverzüglich erfolgen kann, als auch unter finanziellen Aspekten, da die Pflege dieser Daten in der Regel Kosten verursacht.
Unterstützung durch augmented reality
Augmented reality meint erweiterte Realität und kann auch in der Entgeltabrechnung ein hilfreiches Werkzeug sein. So könnten beispielsweise in digitalisierten Dokumenten automatisiert Rechtsquellen zu den jeweiligen Sachverhalten angezeigt werden, die bei der Bearbeitung und Entscheidungsfindung unterstützen.
Lernende Systeme
Viele der hier genannten Technologien befinden sich noch in den Anfängen, jedenfalls für den Zweck der Entgeltabrechnung, werden jedoch ohne Zweifel in den nächsten Jahren große Entwicklungssprünge machen können. Auch werden diese Systeme natürlich nicht direkt mit ihrem Einsatz perfekt funktionieren können. Sie leben vielmehr davon, dass man sich auf sie einlässt und durch die praktische Anwendung lernen lässt. Dann können Sie allesamt zukünftig eine sinnvolle Ergänzung zu manuellen Tätigkeiten werden und so die Zukunft der Entgeltabrechnung maßgeblich beeinflussen.
Entgeltoptimierung
Die Optimierung von Arbeitsentgelt meint nichts anderes als durch die geschickte Nutzung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Möglichkeiten. Auf der einen Seite, um das Nettoentgelt der Mitarbeitenden zu erhöhen, ohne das Bruttoentgelt zu erhöhen. Auf der anderen Seite, um im Idealfall auch die Kosten für den Arbeitgeber zu senken. Hier bestehen verschiedenste Varianten, von Zuschüssen, über Pauschalversteuerung bis hin zur optimalen Nutzung von Freigrenzen und Freibeträgen.
Für solche umfangreichen Optimierungen ist ein hohes Maß an rechtlichem Wissen erforderlich. Eine gute Abrechnungssoftware kann hier unterstützen und gegebenenfalls sogar Vorschläge für eine sinnvolle Optimierung bieten. Die letzte Entscheidung wird aber auch zukünftig bei den Personen aus der Entgeltabrechnung liegen. Schon allein aufgrund der Arbeitgeberhaftung bei Falschanwendung der gesetzlichen Regelungen.
Revisionssicheres Dokumentenmanagement
Zu diesem Thema möchte ich nur einen kurzen Absatz bringen, weil es noch weitgehend in den Kinderschuhen steckt. Es geht um das Thema Blockchain-Technologie. Das ist ein Begriff, den wir eher aus dem Bereich der Krypto-Währung kennen, aber in vielen anderen Bereichen vorteilhaft einsetzbar ist.
Per Blockchain-Technologie ist ein dezentrales Netzwerk denkbar, in dem Daten dauerhaft, fälschungssicher und zuverlässig gesichert werden können. Das gilt für Dokumente aus der Entgeltabrechnung genauso wie für Nachweise jeglicher Art. Diese Form der Sicherung hätte zudem den Vorteil, dass sie systmunabhängig geschieht. Selbst Gehaltszahlungen könnten auf diesem Weg theoretisch ohne Banken direkt per Kryptowährung durchgeführt werden. Wir beobachten weiterhin, wie sich dieser Trend entwickelt und welche Bedeutung er für die Zukunft der Entgeltabrechnung haben wird.
Meldeverfahren und Bescheinigungen
Bei den Meldeverfahren handelt es sich im Wesentlichen um Verfahren, die die Sozialversicherung oder das Steuerwesen berühren. Viele dieser Verfahren sind inzwischen digitalisiert worden: Sozialversicherungsmeldungen, der Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale, Abruf der Rentenversicherungsnummer, das eAU-Verfahren, Auslandsdienstreisen, Arbeitsbescheinigungen, Meldungen an Zusatzversorgungskassen, etc. Ihre Abrechnungssoftware sollte inzwischen in der Lage dazu sein, all diese Meldungen und Bescheinigungen automatisiert zu erstellen.
Nicht alle dieser Verfahren funktionieren in der praktischen Anwendung problemlos – das anzunehmen wäre utopisch. Aber sie werden stetig aufgrund vorliegender Erfahrungen verbessert. Jedenfalls sollte es so sein.
Problematisch sind hier vor allem zwei Dinge:
1. Diese Verfahren sind auf Fachpersonal angewiesen, dass sich um Fehlersituationen kümmern und eigenständig Entscheidungen treffen kann. Im Zweifelsfall ist Rücksprache mit dem jeweils zuständigen Meldeempfänger zu halten oder es müssen Informationen von Mitarbeitenden eingeholt werden. Manchmal führt dies letztendlich zu manuellen Meldungen über das SV-Meldeportal.
2. Die Meldeverfahren sind ständig im Wandel. Regelmäßig werden bisher analoge Verfahren digitalisiert und mit der gleichen Regelmäßigkeit werden diese Verfahren anschließend angepasst. Manche Verfahren kommen auch nie wirklich zustande, manch einer erinnert sich vielleicht noch an das gescheiterte ELENA-Verfahren.
Outsourcing der Entgeltabrechnung
Das Thema Outsourcing ist eines der großen Themen für die Zukunft der Entgeltabrechnung. Durch die zunehmende Komplexität der rechtlichen und organisatorischen Anforderungen, sind der Aufbau und die Unterhaltung von Abrechnungsknowhow und die Kosten für eine professionelle Abrechnungssoftware gerade für kleinere Unternehmen nicht in jedem Fall wirtschaftlich. Selbst in großen Organisationen wird derzeit häufig eine Zentralisierung der Abrechnung angestrebt, um Kosten einzusparen und Fehler zu minimieren. Hinzu kommt, dass, durch die immer weiter voranschreitende Digitalisierung der Entgeltprozesse, auch das Wissen um IT-Themen aus dem Berufsbild der Entgeltabrechnung nicht mehr wegzudenken ist.
Der Servicegedanke, den ich persönlich (falls das bisher nicht klar geworden sein sollte) auch und gerade im Rahmen der Abrechnung für wichtig halte, kann durch die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern auf professionelle Beine gestellt werden.
Fazit: Die Entgeltabrechnung bleibt die Entgeltabrechnung (vorerst)
Eine voll automatisierte Entgeltabrechnung halte ich in den nächsten 10 -15 Jahren nicht für möglich. Auch darüber hinaus wird sich das eher schwierig gestalten. Das Problem sind hier nicht die technischen Möglichkeiten, ich bin mir sicher, dass Software sehr schnell deutlich klüger handeln können wird. Die vollständige Komplexität der Entgeltabrechnung abzubilden, wird aber nicht in jeder Hinsicht möglich sein. Vor allem rechtlichen Voraussetzungen sind es, die dem einen Riegel vorschieben.
Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, die Digitalisierung und Optimierung der Entgeltabrechnung voranzutreiben. Schon allein aufgrund verbesserter Kontrollmöglichkeiten und somit besserer Ergebnisse. Hier muss man ganz offen sagen, dass es wie bei allen Hilfestellungen ist: Am meisten profitieren dabei diejenigen, die am weitesten zurück sind.
Was wir darüber hinaus benötigen, was uns wirklich helfen würde, ist eine Entbürokratisierung der Entgeltabrechnung.
Vergessen wir aber eines nicht: Das Personalwesen beschäftigt sich mit Menschen. Gerade auch im Bereich der Entgeltabrechnung handeln Arbeitgeber als Dienstleister und können zeigen, wie mitarbeiterorientiert sie tatsächlich sind. HR-Tools wie Self-Services sind eine großartige Sache, weil sie Prozesse vereinfachen und die Fehlerquote verringern können. Nichts jedoch ersetzt das freundliche und kompetente klärende Gespräch, wenn Dokumente oder Informationen mal wieder nicht korrekt angekommen sind.
Die Zukunft der Entgeltabrechnung wird auch in absehbarer Zeit nicht ohne das Fachwissen und die sozialen Kompetenzen der Menschen auskommen, die sich Tag für Tag darum bemühen, Fehler beheben und Unklarheiten beseitigen. Sie wird nicht ohne Sie auskommen!
Herzliche Grüße
Christian Günther
HR-Organisationsberater | Wirtschaftsmediator
Dozent für Entgeltabrechnung