Zum Inhalt springen
KI denkt - Mensch lenkt!?
Startseite » Blog » KI denkt – Mensch lenkt!?

KI denkt – Mensch lenkt!?

Und warum Personalverwaltung insbesondere Lohn- und Gehaltsabrechnung NICHT komplett auf „Knopfdruck“ erledigt werden sollte!

Die Automatisierung von Prozessen durch Künstliche Intelligenz (KI) hat bereits viele Prozesse vereinfacht. Im HR-Bereich scheint sich bei den Entscheidern jedoch ein großes Missverständnis hinsichtlich der Personalverwaltung zu geben. Ich höre oft: „Aber das geht doch jetzt alles ganz einfach auf Knopfdruck!“

Alles auf Knopfdruck?“ Nein, ganz sicher nicht, denn es gibt viele HR-Aufgaben, bei denen die KI an ihre Grenzen stößt. Die Personalverwaltung inkl. Lohn- und Gehaltsabrechnung ist ein solcher Bereich. Natürlich kann die KI perfekt Daten verarbeiten. Programme erleichtern bereits erheblich die Arbeiten zur Gehaltsabrechnung in Bezug auf Brutto zu Nettoberechnung inkl. Meldewesen und Bescheinigungen. Dies ist unbestritten und wird in den nächsten Jahren sicherlich noch weiterentwickelt und verfeinert werden.

Warum stößt die KI in der Personalverwaltung trotzdem an ihre Grenzen?

1. Komplexität der Regelungen

Die Personalverwaltung und Gehaltsabrechnung ist komplett von arbeitsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen abhängig, die sich ständig ändern. In Deutschland ist Arbeitsrecht = Richterrecht. Das bedeutet, dass viele Detailregelungen in verschiedenen Rechtsprozessen entschieden wurden – durchaus mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die Anwendung auf vergleichbare Fälle ist eine große Herausforderung selbst für Arbeitsrechtler und Personalen – und auch für die KI – da hier sehr ausdifferenziert verglichen und argumentiert werden muss.

Darüber hinaus haben viele Unternehmen spezifische Richtlinien oder Tarife für ihre Lohnabrechnung, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen. Diese internen Regeln erfordern in der Regel eine menschliche Interpretation und Anwendung. KI-Systeme jedoch haben (noch) Schwierigkeiten, all diese Nuancen und Änderungen in Echtzeit zu erfassen, zu interpretieren und korrekt anzuwenden. Die Folgen davon können für Unternehmen sehr kostenintensiv sein.

2. Persönliche Verhältnisse

Jeder Arbeitnehmer hat individuelle persönliche Ausgangsvoraussetzungen und daraus resultierende Vertragsbedingungen, die berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören beispielsweise unterschiedliche Qualifizierung, Behinderungen, Arbeitszeiten, Überstundenregelungen und Sonderzahlungen.

KI kann zwar erfasste Daten verarbeiten, kann aber die spezifischen Verträge und deren Auswirkungen auf die Gehaltsabrechnung in komplexen tariflichen Zusammenhängen (noch) nicht verstehen. Hier muss auf Basis individueller Voraussetzungen das Tarifrecht interpretiert werden (beispielsweise Eingruppierung im öffentlichen Dienst mit “Ermessensspielraum”) und ggf. noch weitere Quellen herangezogen werden (z.B. Qualifikationsnachweise). Hier gilt es die richtigen Fragen zu stellen, um korrekte Ergebnisse erzielen zu können. Hier gilt es im Vorfeld – vor der Datenerfassung – entsprechende Fragen zu stellen und Entscheidungen zu treffen.

3. Emotionale Intelligenz

Das Thema Vertrag und Gehalt ist sensibel und beinhaltet damit auch emotionale Aspekte, wie z.B. die Kommunikation bei Unstimmigkeiten. Darüber hinaus sind die diversen persönlichen Umstände (Pflege von Angehörigen, persönliche und wirtschaftliche Lebenskrisen wie Pfändungen) mit zu berücksichtigen. Menschen sind – anders als die KI – in der Lage, Empathie zu zeigen und durch komplexe soziale Situationen zu navigieren – und ggf. Unterstützungsleistungen anzubieten beispielsweise das Angebot einer Freistellung bei Pflege oder Arbeitgeberdarlehn.

4. Vertrauen und Transparenz

Mitarbeiter möchten eine transparente Erklärung, wie ihr Lohn zustande kommt und möchten dies primär von einem Menschen erklärt bekommen. In der Vergangenheit wurden bereits über Intranet, Newsletter und sogar E-Learning-Module versucht, diese Informationen “entpersonalisiert” zu vermitteln. Das persönliche Gespräch wird dies jedoch nicht ersetzen. Der Wunsch von Mitarbeitenden zur Erklärung der Gehaltsabrechnung wird immer wieder an die Personalabteilungen herangetragen – und geht oft aus Zeitmangel unter. Dabei ist das Vertrauen in eine korrekte Abrechnung unmittelbar mit dem Vertrauen in das Unternehmen verbunden. Dieser Aspekt wird häufig unterschätzt.

5. Anpassungsfähigkeit an Veränderungen

Die Arbeitswelt ist dynamisch. Änderungen in der Unternehmensstruktur, neue Tarifverträge oder Änderungen in der Unternehmenspolitik erfordern Flexibilität und schnelles Handeln, was KI nicht in der gleichen Weise leisten kann wie ein Mensch.

Ein kleiner Exkurs zur Personalarbeit

Es ist häufig – auch unternehmensintern – unklar, ob die Personalarbeit strategisch oder operativ aufgestellt ist. Im 21. Jahrhundert ist diese Frage im Blick auf den Fachkräftemangel einfach zu beantworten: Um anpassungsfähig zu werden und zu bleiben muss die HR-Arbeit strategisch werden, so dass es gelingt Mitarbeitende zu finden und zu binden!

Jedoch ist häufig zu beobachten, dass Personalarbeit in Unternehmen eher „stiefmütterlich“ behandelt wird: Das Personalmanagement wird lediglich auf „administrativer“ Ebene angesiedelt. Gepaart mit dem Denkfehler „Es geht doch alles auf Knopfdruck!“ ist dies ein strategischer Fehler, der sich mittelfristig nachteilig auf das Unternehmen auswirkt.

Denn ohne eine entsprechende Ausstattung und strategischer Ausrichtung mit Fachpersonal in der Personalabteilung kann auch kein Fachpersonal gefunden und an das Unternehmen gebunden werden.

6. Fehleranfälligkeit durch Fehleinschätzungen der KI

KI kann Fehler machen, insbesondere wenn die Daten, die sie verarbeiten soll, unvollständig oder fehlerhaft sind. In der Abrechnung kann dies schwerwiegende Folgen haben, etwa bei der Berechnung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen. Ein menschlicher Prüfer kann Fehler erkennen und korrigieren, wo KI möglicherweise scheitert, wie beispielsweise im Mini-Job-Bereich oder bei der Abfrage von Mehrfachbeschäftigungen, die – aus Datenschutzgründen – häufig nicht standardmäßig erfolgen.

Zwei Beispiele:

Nehmen wir als Beispiel einen Mini-Job als Kurzfristige Beschäftigung oder ein Mini-Job. Hier sind Entscheidungen im Blick auf die folgenden Sachfragen zu treffen, die nicht von der KI geleistet werden können:

  • Ist die Voraussetzung für die Kurzfristige Beschäftigung erfüllt, dass der Bedarf für diese Beschäftigung nur vorübergehend (beispielsweise für eine Krankheitsvertretung) besteht?
  • Werden die max. vorgegebenen 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage pro Kalenderjahr eingehalten (Prognose)?
  • Bestehen bei einer Beschäftigung noch weiter Beschäftigungsverhältnisse als Mini-Job, die berücksichtigt werden müssen?

Eine KI müsste die Stunden nachverfolgen und den Sachverhalt prüfen und ggf. im Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses Entscheidungen treffen. Hier sind jedoch im Vorfeld Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitenden zu führen und Entscheidungen zu treffen. Dies kann die KI nicht abnehmen.

Darüber hinaus sind immer mehr Menschen mehrfach beschäftigt. Dies gilt es im Vorfeld noch einmal abzufragen, da sich in der Praxis gezeigt hat, dass nicht alle Mitarbeitenden den Arbeitgebern die weitere Beschäftigung anzeigen. In der Folge zahlen die Arbeitgeber ggf. zu viele Sozialversicherungsbeiträge.

Die KI ist unbestritten hilfreich, wenn es darum geht Daten zu verarbeiten und Abrechnungen korrekt zu erstellen. Jedoch müssen darüber hinaus im Vorfeld einige Vorprüfungen über die Personalabteilung und Gehaltsabrechnungsstelle erfolgen, die die eine KI eben (noch) nicht korrekt bearbeiten und beurteilen kann.

Ein Mensch kann diese Herausforderungen aktuell besser bewältigen, indem er individuelle Umstände und aktuelle Vorschriften berücksichtigt, die Mitarbeitenden mit Empathie mit einbezieht und bei mehreren Möglichkeiten, die für das Unternehmen und den Mitarbeitenden beste Entscheidung trifft.

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Personalverwaltung und Abrechnung von Lohn und Gehalt als Baustein im Personalmanagement ein komplexer Prozess ist, der auch weiterhin menschliche Intelligenz und Empathie erfordert. KI kann hier durch gute Abrechnungsprogramme, Zeiterfassungssysteme und sonstige digitale Tools entlastend wirken.

Es wäre jedoch fahrlässig, zukünftig bei der Personalverwaltung und Abrechnung den Wert der menschlichen und Intelligenz zu unterschätzen. Denn letztendlich sind es die Menschen im Unternehmen, die den Erfolg eines jeden Unternehmens ausmachen.

Und nicht zuletzt sind die Mitarbeitenden in der Personalabteilung das “Eingang- und Ausgangstor” für ein Unternehmen und erste Anlaufstelle für alle Belange des Vertragsverhältnisses für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses!

Somit ist die Personalabteilung ein wichtiger Wegbegleiter der Mitarbeitenden und dient der Vertrauensbildung – und der Mitarbeiterbindung!

Wo KI beispielsweise sinnvoll in der Entgeltabrechnung eingesetzt werden kann und wie die Zukunft dieses Bereichs aussehen wird, das erfahren Sie in unserem Blogartikel Die Zukunft der Entgeltabrechnung.

Picture of Andrea Isenburg

Andrea Isenburg

Beratung - Schulung - Coaching

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert